Skip to main content

Lesezeit: ca.8 Minuten

Visual Thinking: Was ist visuelles Denken und warum ist es so wertvoll?

«Visual Thinking» oder «visuelles Denken» – immer häufiger hört man diesen Begriff. Doch was steckt dahinter? Hier erfährst du, was visuelles Denken ist, wie es funktioniert und welche Vorteile es dir bringt. Zudem lernst du, mit welchen Methoden du Visual Thinking für dich nutzen kannst und erhältst Tipps für drei einfache Schritte zum Einstieg.

 

Was ist visuelles Denken – Visual Thinking?

Für den Begriff „Visual Thinking“ gibt es keine eindeutige, wissenschaftliche Definition. Was unter visuellem Denken verstanden wird hängt jeweils vom Anwendungsfeld und der Sichtweise ab. Im Folgenden wird das visuelle Denken vorwiegend aus der Sicht von Visual Practitioners beleuchtet. Visual Practitioners, wie beispielsweise bei speakture, nutzen visuelles Denken in ihrem Beruf.

Weitgehend einig ist man sich über verschiedene Disziplinen hinweg über folgendes: Visuelles Denken braucht visuelle Kompetenz («visual literacy»), also die Fähigkeit

  1. Informationen von Visualisierungen zu verstehen
  2. zu verarbeiten und zu verwenden
  3. sowie darin zu denken und zu kommunizieren.

Dabei geht man davon aus, dass Visualisierungen ebenso eine Sprache sind wie «verbale» Sprachen. Entsprechend können Visualisierungen «gelesen» und «geschrieben» werden. Genau das tut eine visuell denkende Person, ein Visual Thinker [1].  Die gute Nachricht: unser Gehirn ist so konzipiert, dass es visuelle Informationen rasch erfassen kann – bis zu → 60’000-mal schneller als Text [2] und sich auch gut daran erinnert. Das alles deutet darauf hin, das visuelles Denken ein grundlegender Denkprozess ist – und den wir nutzen sollten.

Wie funktioniert visuelles Denken?

Das visuelle Denken läuft in unserem Gehirn ab, es ist eine Methode, deine Gedanken zu ordnen und zu strukturieren. Damit diese inneren Denkprozesse nach aussen sichtbar werden, nutzen wir Hilfsmittel und Werkzeuge, wie beispielsweise Stift und Papier oder eine Software. Oft verwenden wir dabei visuelle Elemente wie Skizzen, Symbole oder Diagramme, um unsere Ideen darzustellen. Visuelles Denken basiert auf klaren Prinzipien, die im Gehirn verankert sind. Visual Thinking ist eine Methode, um komplexe Konzepte klar und präzise zu kommunizieren [3]. Kurz: visuelles Denken passiert im Kopf, und wir verleihen dem Ausdruck mit Visualisierungen.

Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass die Fähigkeit, visuell zu denken, nichts mit der Fähigkeit zu zeichnen zu tun hat. Genau so, wie du sprechen, lesen und schreiben gelernt hast, kannst du lernen zu visualisieren. Es ist eine einfach erlernbare Technik, die du problemlos im Alltag anwenden kannst.

Beim Visualisieren nutzt du gewisse Grundelemente wie beispielsweise Icons, Symbole, Pfeile oder Strichpersonen sowie ein wenig Text. Dabei liegt der Fokus auf dem Inhalt und dem Prozess, nicht auf der Ästhetik. Eine richtig gute Visualisierung ist nicht «schön» (das ist eh Geschmackssache), sondern wird verstanden. Deshalb sprechen wir auch von Visualisierungen und nicht von Illustrationen. Unser Gehirn ist grossartig darin, Muster zu erkennen. Deshalb erfasst es bereits minimalistische Darstellungen und – zack! – das visuelle Denken beginnt.

Ganz praktisch: Methoden zur Anwendung von visuellem Denken

Zahlreiche Methoden machen das visuelle Denken sichtbar und erleichtern beispielsweise Kommunikation, Brainstorming oder Prozessplanung. Hier sind einige Beispiele dafür:

  1. Sketchnotes (auch als visuelle Notizen bezeichnet) sind eine Kombination aus Zeichnungen (Skizzen, Formen, visuellen Elementen) und Text (handschriftliche Notizen). Diese Methode ermöglicht es, Notizen in einprägsame und leicht verständliche Darstellungen zu verwandeln. Sie können in Meetings, Vorlesungen, Konferenzen oder immer dann verwendet werden, wenn Informationen schnell visuell erfasst und organisiert werden sollen. Sketchnotes können dazu beitragen, das Gedächtnis und das Verständnis zu verbessern, Kreativität anzuregen und Informationen ansprechender zu gestalten. Wie du einfach zu eigenen Sketchnotes kommst? Lerne die Grundlagen in einem → Sketchnotes Basics Workshop –  5 Gründe dafür findest du → hier.
  2. Mind Maps sind hierarchische Diagramme, die dazu dienen, Ideen, Konzepte und Informationen zu organisieren. Durch die Verwendung von Verzweigungen und Knotenpunkten können komplexe Zusammenhänge übersichtlich dargestellt werden. Es kann bei der Projektplanung, Ideenfindung, Problemlösung und Entscheidungsfindung eingesetzt werden. Die zentrale Idee wird in der Mitte platziert, von der sich verwandte Ideen ableiten. Dies kann Teams dabei helfen, das grosse Ganze zu sehen, Verbindungen zwischen Ideen zu erkennen und kreative Lösungen zu entwickeln.
  3. Business Visuals, strategische Visualisierungen: Visuelle Darstellungen von Konzepten, Prozessen oder Abläufen ermöglichen es, abstrakte Ideen greifbar zu machen. Durch strategische Visualisierungen werden essenzielle Informationen auf ansprechende und leicht merkbare Weise komprimiert und prägnant präsentiert. Die relevanten Hauptbotschaften werden auf einer Seite visuell vereint und verständlich dargestellt. Mehr zu Business Visuals erfährst du → hier.
  4. Infografiken und Datenvisualisierung bezeichnen grafische Darstellungen von Informationen oder Daten. Sie können im Geschäftsleben eingesetzt werden, um komplexe Informationen klar und prägnant darzustellen, so dass sie leichter zu verstehen und zu behalten sind. Sie sind besonders effektiv, um statistische, oft trockene Daten oder Fakten visuell zu vermitteln. Infografiken können zum Beispiel in Marketingmaterialien, Berichten, Präsentationen verwendet werden und werden auch auf Social Media immer beliebter.
  5. Storyboarding ist eine visuelle Technik, bei der eine Sequenz von einfachen Visualisierungen erstellt wird, um eine Geschichte zu erzählen oder einen Prozess zu veranschaulichen. Es kann in Unternehmen für Produktentwicklung, Videoproduktion, Webdesign und Benutzererfahrung (UX) Design verwendet werden.
  6. Graphic Recording übersetzt in Echtzeit mündliche Inhalte, wie in Key Notes oder an Konferenzen in visuelle Darstellungen, in welchen die zentralen Botschaften als visuelles Protokoll festgehalten werden. Mehr zu → Graphic Recording und wie du es für dich nutzen kannst findest du → hier.
  7. Visual Facilitation ist eine interaktive Methode, bei der die Moderatorin eines Workshops visuelle Elemente wie Zeichnungen, Symbole und Diagramme nutzt, um komplexe Ideen mit einer Gruppe zu entwickeln und zu veranschaulichen. Es fördert die Klarheit, das Verständnis und die Beteiligung der Teilnehmenden, da die Inhalte live entstehen und beeinflusst werden können.
verschiedene Methoden für visuelles Denken - visual Thinking. Visual by speakture

Jede dieser Methoden lässt sich allein oder in Kombination anwenden sowie zu weiteren Methoden entwickeln. Wenn das Ziel klar ist, welches mit Visual Thinking erreicht werden soll, wird die Wahl der Methode einfacher. Es braucht am Anfang vielleicht etwas Mut, sich Stift und Papier zu schnappen und loszulegen. Dann hilft es, sich noch einmal zu vergegenwärtigen: eine gute Visualisierung hilft dabei, verstanden zu werden.

Die Vorteile von Visual Thinking

Wie wir gesehen haben, liebt unser Gehirn Bilder und ist bestens für deren Verarbeitung gerüstet. Da liegt es auf der Hand, dass visuelles Denken zahlreiche Vorteile bringt.

Übersicht und Vereinfachung
  • Verbesserter Umgang mit der Informationsflut: Visuelles Denken bietet einen effektiven Ansatz zur Bewältigung einer möglichen Informationsflut
  • Vereinfachung von Notizen, Gedankenstrukturierung und Planung
  • Prioritäten setzen und das Verständnis von Sachverhalten verbessern
  • Zeiteffizienz: Visuelles Denken beschleunigt Entscheidungsprozesse, da komplizierte Konzepte von der Gruppe schnell erfasst und analysiert werden können.
  • Perspektive des grossen Ganzen: Das Konzept des „Big Picture“ vereinfacht das Erkennen von Mustern, Vergleichen und die Identifizierung von Schlüsselelementen

Lernen und merken
  • Verbessertes Lernen: Visuelles Denken hilft beim Verstehen und Behalten und macht komplexe Themen leichter zugänglich und einprägsamer
  • Verbessertes Erinnerungsvermögen: Die Kombination von Bild und Text unterstützt das Abrufen von Informationen und sorgt dafür, dass diese effektiver und nachhaltiger gespeichert werden

Kommunikation
  • Klare Kommunikation: Visuelles Denken hilft, komplexe Konzepte klar zu vermitteln, die Kommunikation zu vereinfachen und Sprachbarrieren zu überwinden
  • Interkulturelle Kommunikation: Visuelle Darstellungen überwinden Sprachbarrieren und ermöglichen eine effektive Kommunikation und ein besseres Verständnis zwischen verschiedenen Kulturen

Gruppendynamik und Teams
  • Verbessertes kollektives Gedächtnis: Das gemeinsame Verständnis und das kollektive Gedächtnis verbessern sich, wodurch das Produktivitätspotenzial der Gruppe oder des Teams gesteigert wird.
  • Rationalisierte Diskussion und Zusammenarbeit: Visuelle Hilfsmittel dienen als Reflexionsfläche, erleichtern Diskussionen und fördern die Zusammenarbeit durch die Schaffung einer gemeinsamen visuellen Darstellung.
  • Erhöhte Beteiligung: Durch die Sichtbarkeit der visualisierten Informationselemente wird die entscheidende Rolle der Beteiligung innerhalb der Gruppendynamik gestärkt.
  • Effektive Problemlösung: Die Visualisierung komplexer Herausforderungen fördert eine tiefere Analyse, die es der Gruppe ermöglicht, gemeinsam innovative Lösungen zu entwickeln.

Innovation und Kreativität
  • Gesteigerte Kreativität: Visuelles Denken regt phantasievolle Verbindungen an und eröffnet innovative Wege zur Problemlösung und Ideenfindung
  • Stimulierte Innovation: Visuelles Denken fördert neue Perspektiven und neuartige Verbindungen und damit innovatives Denken und Problemlösungen

Visual Thinking in 3 Schritten: so fängst du an

Es ist schon ziemlich beeindruckend, wie visuelles Denken dir in deinem Business und auch im Alltag helfen kann. Gleichzeitig kann es auch etwas überwältigend sein. Keine Sorge – es ist viel einfacher als du denkst. Für einen einfachen Einstieg kannst du folgende drei Schritte ausprobieren:

  1. Entdecken und experimentieren: Starte damit, dich mit verschiedenen visuellen Elementen vertraut zu machen, wie z.B. einfache Symbole, Linien und Container. Gut geeignet dafür ist ein Basic-Kurs für Sketchnotes, wo du mit etwas System sehr schnell sehr viele Ergebnisse sehen wirst. Experimentiere mit verschiedenen Visualisierungsstilen und Materialien. Du liebst dein Tablet? Pack deinen Pen und leg los – für den Anfang reichen vorinstallierte oder kostenlose Sketching Apps vollauf.
  2. Anwenden im Alltag: Integriere visuelle Elemente in deinen Alltag. Nutze sie, um Notizen zu erstellen, Ideen festzuhalten oder komplexe Konzepte zu visualisieren. Du kannst visuelle Notizen während Meetings machen oder visuelle To-Do-Listen erstellen. Am Schluss von jedem Team-Meeting habt ihr eine Feedback-Runde? Zwei sich leicht überlappende Sprechblasen symbolisieren das. Am Ende des Kundengesprächs willst du unbedingt nochmals nachfragen, dass alles verstanden wurde? Eine Gedankenblase mit einem grossen Fragezeichen darin wird dich daran erinnern. So einfach kann es sein.
  3. Lernen von anderen: Schau, wie andere es machen, und mache es nach. Folge Visual Practitioners auf Social Media und lasse dich inspirieren.

Fazit: Visual Thinking ist ein Supertool

Beeindruckend, was alles hinter Visual Thinking steckt! Visuelles Denken ist eine wertvolle kognitive Fähigkeit, die herkömmliche Denkprozesse ergänzt. Damit du dein visuelles Denken sichtbar machen kannst brauchst du nur einen Stift und ein Stück Papier – und etwas Mut, um loszulegen. Denk daran, dass visuelles Denken ein Prozess ist, der mit Übung und konsequentem Anwenden immer besser wird. Je mehr du dich damit beschäftigst, desto mehr wirst du den Mehrwert erleben, den Visual Thinking mit sich bringt.

Falls du einen kleinen Anstoss brauchst, beginne mit den → Grundlagen von Sketchnotes. Oder frage einfach speakture, denn: speakture macht Inhalte sichtbar #morevisuals

Quellenangaben:

[1] Hortin, John A. (1980): Visual Literacy and Visual Thinking

[2] https://www.t-sciences.com/news/humans-process-visual-data-better (last accessed 16.08.2023)

[3] Arnheim, Rudolf (1969): Visual Thinking

Veröffentlicht: 17.08.2023
Zuletzt bearbeitet: 17.08.2023

Über die Autorin

Dana Rulf

Visual Practitioner aus Leidenschaft – und weil es Sinn macht. Seit über zwanzig Jahren bewegt sich Dana Rulf in einer anspruchsvollen internationalen Geschäftswelt, deren Komplexität laufend zunimmt. Als Expertin für Visual Thinking, visuelle Kommunikation, Graphic Recording und Business Visuals vermittelt sie komplexe Sachverhalte auf einfach verständliche und einprägsame Weise mit Hilfe von Bildern. Sie begleitet seit Jahren Führungspersönlichkeiten und Unternehmen dabei, ihre Expertise und Kernbotschaften sichtbar zu machen. Dadurch entsteht Klarheit, welche die Zusammenarbeit erleichtert und zum Erfolg des Unternehmens beiträgt. Zudem lehrt sie alles rund ums Visualisieren an verschiedenen Instituten. Sie ist Mitgründerin und Präsidentin des Branchen-Vereins „Visual Practitioners Switzerland“.

Mehr Visual Thinking

Research ¦ Visual Thinking

Deshalb liebt unser Gehirn Bilder so sehr

Wieso Bilder in der Kommunikation so sinnvoll und hilfreich sind.

Best Practice ¦ Visual Thinking

Fünf Gründe eigene Sketchnotes zu nutzen

Wie einfach es ist, mit wenigen Strichen Ideen und Notizen festzuhalten.

Best Practice ¦ Visual Thinking

Visualisierungen schaffen Ordnung im Kopf

Mit der Gedanken-Kommode im Kopf aufräumen, während man auf dem Sofa liegt.